Dr. forest Christoph Hoffmann

Negative Emissionen ermöglichen Klimaschutzturbo

Foto von Polina Kuzovkova auf Unsplash

Die Ampelregierung hat im Rahmen des Koalitionsausschusses erstmalig deutlich gemacht, dass im Klimaschutzgesetz  aus Merkel-Zeiten eine gähnende Lücke besteht. Es ist völlig unverständlich, warum die weitreichenden Möglichkeiten negativer Emissionen – also die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre und ihre dauerhafte Speicherung – nicht bereits seit Jahren systematisch gegen den Klimawandel im Einsatz sind. Der Koalitionsausschuss hat jetzt ein Modernisierungspaket beschlossen, das Ziele für Negativ-Emissionen durch natürliche und technische Senken festlegt.

Wir können Klimaneutralität und das 2-Grad-Ziel – geschweige denn das 1,5-Grad-Ziel – nur erreichen, wenn wir unvermeidliche Restemissionen ausgleichen. Das Gesamtvolumen der Restemissionen liegt zwischen 55 bis 63 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente bis 2045. Das genaue Ausmaß ist aber nicht relevant, denn wir haben schlicht schon zu viel CO₂ in der Atmosphäre. Je mehr wir der Atmosphäre entziehen, desto besser.

Im Klimaschutzgesetz ist bislang ein Senkenbeitrag von minus 40 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent aus Landnutzung und Forstwirtschaft bis zum Jahr 2045 vorgesehen. Das ist bei Weitem zu gering und angesichts des sich erwärmenden Klimas und sterbender Wälder sehr optimistisch. Zumal das Klimaschutzgesetz ab 2050 Negativ-Emissionen vorsieht, die wir ebenfalls nur mit Hilfe der CO₂-Senkenwirkung unserer Wälder erreichen können. Der Beitrag ist nicht in Rückkoppelung mit den Waldbesitzern und der Holzwirtschaft entstanden, sondern über die Köpfe der Betroffenen des Wald- und Holzmarktes hinweg festgelegt worden.

Diese Lücken müssen geschlossen werden. Sowohl in den deutschen Wäldern, vor allem aber in den Wäldern des tropischen Südens bestehen noch gigantische Kapazitäten zur CO₂-Entnahme und -Speicherung. Auch hier ist es für den globalen Klimaschutz nicht zielführend, die Emissionsziele in die Sektoren „Inland“ und „Ausland“ aufzuteilen. In den feuchten Tropen erbringt der CO₂-Staubsauger Wald die fünffache Leistung wie in Deutschland. Eine Aufhebung der Sektoren beschleunigt die Klimaschutzwirkung und ist gleichzeitig wirtschaftlicher, da das CO₂ mit weniger Ressourceneinsatz schneller sinkt.

Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses sind auch ein Arbeitsauftrag für das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Negative Emissionen müssen ab sofort ein Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit sein. Mit Hilfe des BMZ ist es möglich, die CO₂-Speicherkapazitäten der tropischen Wälder massiv auszuweiten. Bereits im Koalitionsvertrag ist verankert, dass die Ampel zur Erreichung der Klimaziele in den Schutz bestehender Wälder und nachhaltige Aufforstungen investiert sowie kleinbäuerliche, nachhaltige Forstwirtschaft im globalen Süden fördert.

Klar ist aber auch: selbst die finanziellen Ressourcen des BMZ werden niemals ausreichen, um die Ziele bei den Negativemissionen zu erreichen. Ja, wir können die CO₂-Speicherkapazitäten in tropischen Regionen ressourcenschonender ausbauen – aber die Flächenpotenziale sind riesig. Die Einnahmen des nationalen Emissionshandels landen im Klima- und Transformationsfonds des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Auch die Erlöse aus dem voraussichtlich ab 2027 geltenden europäischen Emissionshandel II sollen laut Koalitionsausschuss dem Klima- und Transformationsfonds zufließen. Was liegt näher, als diese Mittel auch für die Wälder im globalen Süden und damit sowohl effizienter als auch wirtschaftlicher einzusetzen? Denn CO₂ kennt keine Grenzen – sowohl beim Ausstoß als auch bei der Entnahme.

Auch bei negativen Emissionen gilt: für ein Maximum an Effizienz müssen wir technologieneutral bleiben. Auch technische Senken können einen wichtigen Beitrag leisten. Stand jetzt sind sie jedoch noch nicht umfassend einsetzbar, zudem energieintensiv und sündhaft teuer. Wälder sind heute die am schnellsten umsetzbare Maßnahme, um die Ziele bei den Negativemissionen zu erreichen. Hinzu kommt, dass sie auch Einkommen für Kleinbauern schaffen und damit weitere Probleme beispielsweise in der Armutsbekämpfung lösen. Unsere Wälder zu stärken ist eine Win-Win-Lösung auf allen Ebenen.