Hintergrundinformationen: Flüchtlingsgipfel und Migrationslage
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat Deutschland ca. 1.060.000 Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Hinzu kommen im Jahr 2022 ca. 218.000 Erstanträge auf Asyl, insbesondere aus den Herkunftsstaaten Syrien, Afghanistan und Irak. Die Kombination aus dem Ukraine-Krieg und den hohen Zuzugszahlen aus anderen Herkunftsstaaten führt derzeit zu einer hohen Belastung für die Kommunen in Deutschland.
Was hat der Bund bereits für die Kommunen getan?
- Zur Unterstützung der Kommunen hat der Bund bereits 329 Objekte mit etwa 68.000 Unterbringungsplätzen zur Verfügung gestellt sowie finanzielle Hilfen in Höhe von 4,25 Milliarden EUR für das Jahr 2023 beschlossen. Es muss sichergestellt werden, dass die vom Bund schon jetzt zur Verfügung gestellten Gelder schnell und wirkungsvoll da ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden, nämlich in den Kommunen. Und: Die Länder müssen auch ihren Beitrag bei der Unterbringung von Geflüchteten leisten.
Was bringt der von Bundesinnenministerin Faeser vorgeschlagene Flüchtlingsgipfel?
- Der Druck auf die Kommunen ist ungebrochen hoch. Deswegen hat Bundesinnenministerin Faeser für den Februar einen Flüchtlingsgipfel in Aussicht gestellt. Wichtig ist, dass der Gipfel auch Ergebnisse liefert. Auch die Länder sind in der Pflicht. Aus Sicht der Freien Demokraten müssen alle Beteiligten mit an den Tisch und ein offener, konstruktiver Austausch erfolgen.
Was bedeutet der sog. Rechtskreiswechsel für die Kommunen?
- Mit dem Rechtskreiswechsel wurde es den Geflüchteten aus der Ukraine ermöglicht, aus dem Sozialleistungsbezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den Leistungsbezug nach dem SGB II (Hartz IV/Bürgergeld) zu wechseln. Dadurch wurde es seinerzeit ermöglicht, dass die Betroffenen schnell und unkompliziert in Arbeitsvermittlungsmaßnahmen kommen. Der Rechtskreiswechsel für ukrainische Vertriebene muss die Ausnahme bleiben und ist auch eine Herausforderung für die Kommunen.
Was kann man auf europäischer und internationaler Ebene tun?
- Die dringend notwendige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) auf EU-Ebene muss endlich voran kommen. Die Mitgliedstaaten der EU haben es in den letzten Jahren nicht geschafft, sich auf eine umfassende Reform zu einigen. Die GEAS-Reform ist aber die Grundvoraussetzung für eine faire Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeit zwischen den EU-Staaten. Die Bundesinnenministerin muss alles in ihrer Macht stehende tun, um eine Einigung in Europa herbeizuführen. Aber auch die Bundesaußenministerin ist in der Pflicht, internationale Lösungen zu finden und das Thema Resettlement von Flüchtlingen weltweit verstärkt anzugehen. Zudem muss der freiwillige Solidaritätsmechanismus in der EU wieder mit Leben gefüllt werden und sollte insbesondere in den Grenzgebieten in Deutschland Anwendung finden.
Stimmt es, dass Deutschland zu wenig für den EU-Grenzschutz tut?
- Man sollte nicht aus den Augen verlieren, dass Deutschland keine EU-Außengrenzen hat. Wichtig ist aus unserer Sicht, dass die Sekundärmigration innerhalb der EU wirksam eingedämmt wird und der EU-Außengrenzschutz gestärkt wird. Es kommt jetzt darauf an, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur Bekämpfung von Sekundärmigration und zur Weiterentwicklung und Stärkung von Frontex umzusetzen.
Können Asylverfahren auch in Drittstaaten stattfinden?
- Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass wir prüfen werden, ob die Feststellung des Schutzstatus von Asylsuchenden in Ausnahmefällen unter Achtung der GFK und EMRK in Drittstaaten möglich ist, vgl. dazu auch https://www.deutschlandfunk.de/stamp-fuer-verlagerung-von-asylverfahren-auch-nach-afrika-106.html. Dieser Prüfauftrag muss zügig umgesetzt werden. Ziel muss eine langfristige und humanitäre Lösung in Kooperation mit Ländern an der europäischen Außengrenze sein. Dadurch beenden wir das Sterben im Mittelmeer und reduzieren zugleich wirksam die irreguläre Migration nach Europa.
Wie können wir illegale Einwanderung wirksam bekämpfen?
- Das Asylsystem richtet sich an Schutzbedürftige. Trotzdem suchen auch Menschen, die keinen Schutz brauchen, den Weg über das Asylsystem nach Deutschland. Ein Teil dieser Menschen wählt diesen Weg, weil legale Einwanderungswege nach Deutschland fehlen bzw. zu kompliziert sind. Wer illegale Einwanderung bekämpfen will, muss auch legale Einwanderungswege schaffen. Wir drängen in der Koalition darauf, an dieser Stelle schnell zu liefern: Dazu gehören Instrumente wie die Chancenkarte auf Basis eines Punktesystems, die weitere Öffnung der Blue Card, aber auch die Weiterentwicklung der sogenannten Westbalkan-Regelung, die auf weitere Staaten ausgeweitet werden sollte: Die Regelung hat gezeigt, dass irreguläre Migration drastisch reduziert werden kann, wenn Menschen die Möglichkeit haben, legal als Arbeitskraft mit einem Arbeitsplatzangebot nach Deutschland zu kommen. So können wir Einwanderung nach Deutschland bedarfsgerecht steuern und ordnen.
Wie kann die Ausreisepflicht abgelehnter Asylbewerber konsequent durchgesetzt werden?
- Im Koalitionsvertrag haben wir im Bund eine Rückführungsoffensive verabredet und festgehalten, dass der Bund die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen soll. Dazu gehört, alle gesetzgeberischen Möglichkeiten im Bereich der Rückführungen verfassungsfest auszuschöpfen. Das ist auch geboten, denn angesichts der hohen Asylantragszahlen und der enormen Belastung für die Kommunen bei der Unterbringung von Schutzsuchenden müssen Bund und Länder ihre Bemühungen intensivieren, den Aufenthalt von Menschen ohne Bleiberecht zu beenden.
- Wir wollen hierzu unter anderem die Kompetenzen der Bundespolizei stärken. Wenn die Bundespolizei in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich, etwa an Bahnhöfen, den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person feststellt, dann sollte sie auch für die Rückführung zuständig sein. Auch die freiwillige Ausreise muss gestärkt werden: Die staatliche Rückkehrförderung für Menschen ohne Bleiberecht muss besser ausgestattet werden und die staatliche und unabhängige Rückkehrberatung systematisiert und gestärkt werden.
- Für Abschiebungen sind die Länder zuständig. Wichtig ist also auch, dass die Länder ihre Polizeien und die Ausländerbehörden hinreichend finanziell und personell ausstatten.
- Abschiebungen scheitern sehr häufig daran, dass die Herkunftsstaaten nicht bereit sind, ihre Staatsangehörigen aufzunehmen. Es braucht deswegen umfassende Migrationsabkommen mit diesen Staaten, die auch die Rückführung abgelehnter Asylbewerber regeln.
Welche Konsequenzen können aus dem tragischen Fall in Brokstedt gezogen werden?
- Der Fall in Brokstedt, wo ein straffälliger abgelehnter Asylbewerber mehrere Personen verletzt und zwei Menschen getötet hat, hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Die bisherigen Ermittlungen weisen darauf hin, dass es im Vorfeld der Tat Defizite bei der Zusammenarbeit und dem Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Ausländer- und Asylbehörden gegeben haben könnte. Der Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat deswegen den Landesjustizministern eine Änderung der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) vorgeschlagen, die sichergestellt, dass die Strafverfolgungsbehörden die Ausländerbehörden umfassend informieren, auch über die Inhaftierung sowie die Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Was hat die Ampel-Koalition bisher schon getan?
- Mit den Gesetzen zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts und zur Beschleunigung der Asylverfahren und Asylklageverfahren haben wir im letzten Jahr bereits wichtige Veränderungen auf den Weg gebracht. Enthalten waren hier auch Erleichterungen bei der Abschiebung von Straftätern und eine einheitliche Regelung der Ausweisungsgründe für Asylberechtigte, GFK-Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte. Das sind erste gute Schritte, auf die weitere folgen müssen, um den im Koalitionsvertrag verabredeten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik umfassend umzusetzen: Irreguläre Migration reduzieren und reguläre Migration ermöglichen.